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rackdiment Das Wort bedeutet soviel wie „total, absolut, vollständig,“ je nach Art der Anwendung im vollständigen Satz. Beispiele: Dat Huus oß rackdiment affjebrannt (Das Haus ist vollständig niedergebrannt) oder Dä Bähne oß rackdiment verdrüch (Die Wiese ist total ausgetrocknet). „Rackdiment“ ist ein Relikt aus der Franzosenzeit, an das mundartliche Grundwort rack (ganz und gar, durchaus) ist als Verstärkung die französische Nachsilbe „ment“ angehängt und dadurch die Endgültigkeit eines Ereignisses oder eines Zustands hervorgehoben. Regional lässt die Sprechweise „rackdimang“ die französische „Verwandtschaft“ noch deutlicher erkennen. Verschiedentlich ist auch das artverwandte ratsch gebräuchlich, beispielsweise lobt die Mutter den Sprössling: Du häß jo dr Teller ratsch leddich jemääch (Du hast ja alles aufgegessen). Ähnliche Mundartausdrücke sind ratschewech, rackdich, rackaff.
rammdösich Ein früher häufig gebrauchtes Wort für „benommen, schwindelig, von Sinnen, verrückt, bekloppt, wild.“ Da raufte sich beispielsweise der Hausherr ob des dröhnenden Lautsprechers im Jugendzimmer die Haare: Dem Jong seng Musik määch mech noch rammdösich. Auf dem Kirmesplatz trabten die Reitponys Stunde um Stunde im Kreis herum und Mäxchen meinte mitleidig: Die ärm Dier mosse jo rammdösich were. Der Wortteil „ramm“ deutet auf die Ramme hin und „dösich“ ist verwandt mit „Dusel, duselig, dösig.“ Den Rammbalken, allgemein auch „Rammbär“ genannt, benutzten früher die Rottenarbeiter bei der Bahn im Gleisbau zum Richten der Schienen. Wer einen Arbeitstag lang das zentnerschwere Rammholz geschwungen hatte, der konnte sehr wohl beim Feierabend „rammdösich“ sein.
Rängel Ein Rängel war bei uns die Bezeichnung für ein ungewöhnlich großes Teilstück, die grobe Portion einer bestimmten Menge oder Sache. Statt Rängel wird heute noch oft der Ausdruck „Rämmel“ angewendet, bei uns daheim war das aber die Bezeichnung für einen Hügel oder eine Böschung. In Arbeiterkreisen ist ein Rängel Flejschwuësch (ein Trumm Fleischwurst am Stück) mit einer Flasche Bier eine beliebte Brotzeit, die sich noch durch einen Rängel Bruët (Brot) beliebig erweitern lässt Regional ist „Rängel“ die Bezeichnung für eine Brechstange, die aber heißt in Dörfer Platt Breichiese (Brecheisen).
Rappel „Rappel“ ist generell das Wort für ein lautstarkes Geräusch, speziell für Rasseln, Klappern oder Poltern, das Zeitwort dazu ist rappele. Eine sehr häufige Redewendung ist beispielsweise die Frage Wat rappelt dann do (Was rumpelt denn da). „Rappel“ steht unterdessen auch sehr oft für „Wutanfall, Spleen, Verrücktheit, Fixe Idee.“ Wer jähzornig ist und plötzlich in Wut gerät, der kret (kriegt) ene Rappel. Langdauernder Radau ist ein Jeräppel, desgleichen ein ständiges dummes Gerede. Einen Wirrkopf bezeichnet die Mundart als Rappelkopp, und wer launenhaft, verdrießlich oder verschroben ist, den nennt man rappelköppich. Wenn einer alle diese unschönen Eigenschaften besitzt, der wird leicht als Rappelspitter abgestempelt und ist unbeliebt. Ein altes klappriges Auto nennt der Volksmund Rappelskaste oder auch Rappelskoß (Kiste). Beim „Hahnenköppen“ zur Kirmes in Blankenheimerdorf, wird der Angeklagte vom „Hahnengericht“ verurteilt, dessen Mitglieder sich klangvoller Phantasienamen erfreuen. Der Verteidiger des Angeklagten hieß im Urtext Thadeus Rappelsklos, was auf gut Hochdeutsch „Thaddäus Rumpelsklaus“ bedeutet.
Reichel Der Reichel, gelegentlich auch „Reiche“ genannt, war und ist ein Rechen, speziell ein hölzerner Heurechen, den unsere Eltern und Großeltern selber herstellten. Die Bestandteile waren die Furk (Forke, Stiel), die Plätt (Lochplatte) und die Zänn (Zähne). Als Furk diente ein gabelförmiges Haselnussstämmchen, das im offenen Feuer jebäht (erwärmt) wurde. Dadurch löste sich die Rinde ab, der Stiel wurde glatt und griffig. Die Plätt wurde auf der Schneggbank (Schneidebank, Werkbank für den Ziehhobel) aus einem Buchenscheit hergestellt. Die Zahnlöcher wurden mit einem glühenden Eisen, meistens einem dicken Nagel, eingebrannt. Einen Handbohrer gab es längst nicht in jedem Bauernhaus. Die Zähne wurden mit dem Teischemetz (Taschenmesser) aus entsprechend gespaltenen Buchenstäbchen geschnitzt, eingeschlagen und angespitzt. Im heißen Sommer wurde der Reichel gelegentlich wann (die Zähne lockerten sich). Dann stellte man das Gerät in ein Wasserbad oder einfach in den Bach, bis das Holz aufgequollen und fest geworden war.
Reichelsfurk Die wörtliche Übersetzung lautet „Rechengabel,“ ein Wort, mit dem auf Anhieb wenig anzufangen ist. Die Furk ist hergeleitet von „Forke“ und somit eine Gabel, der Reichel ist der hölzerne Heurechen, den der Eifelbauer sich selber anfertigte und dessen gabelförmiger Stiel an zwei Punkten mit der Plätt (Trägerholz der Rechenzähne) verbunden ist. Die Reichelsfurk war ein handliches, möglichst astfreies Haselstämmchen, das am dünnen Ende eine passende Astgabel besaß. Die frisch geschnittene Reichelsfurk wurde im offenen Feuer unter intensivem Wenden und Drehen jebäht (bähe = durch Erhitzen lösen). Das Holz durfte dabei nicht anbrennen, die Rinde aber löste sich ab, der Stiel wurde glatt und erhielt eine schöne braune Farbe. Der Bauer fertigte meistens mehrere Reichelsfurken auf Vorrat.
Reiss Die Reiss, verschiedentlich auch Ress genannt, war ein unentbehrliches Stück im bäuerlichen Alltag: Ein ovaler, aus gespaltenen Holzstäben geflochtener stabiler Korb für den Transport gewichtiger Güter, etwa Kolerawe (Kohlrüben) oder Kartoffeln. Nur wenige Leute beherrschten die Kunst des Reissflechtens, Peter Hoffmann aus Blankenheimerdorf war einer von ihnen. Er verwendete ausgesuchtes Haselholz für seine Körbe, das er bei jongk Liëch (junges Licht = Neumondphase) schnitt, weil es da besonders elastisch und leicht spaltbar war.
riere Das ziemlich seltsame Wort bedeutet generell „rieseln, abfallen,“ wird aber nur in bestimmtem Zusammenhang angewendet. Der Eifeler würde beispielsweise niemals sagen „leise riert der Schnee.“ Mit „riere“ wird das vermehrte Zu-Boden-fallen kleiner Teilchen bezeichnet, ein klassisches Beispiel hierfür ist der nadelnde Weihnachtsbaum: Dr Chreßboum riert. Auch im Wald „rieren“ die Fichtennadeln zu Boden, das Laub dagegen fällt eraff. Wenn an Decke und Wänden die Farbe abblätterte, stellte der Hausherr verärgert fest: „Dr Kalek riert van dr Deck, et Huus moß jewieß were“ (Der Kalk rieselt von der Decke, die Küche muß geweißt werden). Die Rundholzdecke über den Stalltieren musste erneuert werden, weil „der Heusoome durch de Retze riert“ (der Heusamen durch die Ritzen rieselt) und beim Melken in den Milcheimer geriet. Und der Sand im Spielkasten musste trocken sein, damit er „joot durch et Siebche riert“ (gut durchs Siebchen rieselt). Eine Vergangenheitsform von riere, etwa „rierte,“ ist nicht bekannt, allenfalls wird mit „hät jeriert“ (hat gerieselt) umschrieben.
Röb Die Röb ist die hochdeutsche Rübe und war früher ein bedeutendes Nahrungsmittel. Besonders im Krieg und in den Hungerjahren danach war Kolerawejemöös ein häufiger und sogar auch recht schmackhafter „Sattmacher“ auf dem Eifeler Mittagstisch: Gemüse aus gekochten weißen Kohl- oder Runkelrüben, die der Bauer selber anbaute und die generell als Viehfutter dienten. Bei uns Kindern waren rohe Scheiben beliebt, das weiße Rübenfleisch war saftig und schmeckte angenehm süßlich. Koleraw ist ein abgewandeltes niederländisches Wort: Kohl ist bei unseren Nachbarn „Kool“ und die Rübe heißt in Holland „Raap.“ Landläufig ist Röb auch ein scherzhaftes Wort für den Kopf: Ech rießen dir de Röb aff (Ich reiße dir den Kopf ab). Und schließlich ist Röb auch eine gebräuchliche Namensabkürzung für „Robert.“
Röbekrutt Das Mundartwort ist unverwechselbar: Rübenkraut, in der Fachsprache meistens „Zuckerrübensirup“ genannt. „Kraut“ als Bezeichnung für den zähen braunen Sirup führt man verschiedentlich darauf zurück, dass bei der Herstellung die Rüben ähnlich wie Sauerkraut behandelt werden. Röbekrutt war zu unserer Kinderzeit ein Standard-Brotaufstrich, ein sehr beliebter obendrein. Bei uns daheim gab es das Kruttdöppe (Krauttopf), ein eimerartiges verschließbares Behältnis, das schätzungsweise fünf Liter Röbekrutt fasste. Daraus wurde der Wochenbedarf für den Verbrauch in ein kleines Stejndöppche (Keramiktöpfchen) abgefüllt. War der Eimer leer, ließ man ihn beim Dorfkrämer aus dem hölzernen Sirupfass nachfüllen. Röbekrutt war ein begehrter Brotaufstrich, der allerdings allzu schnell über den Schnittenrand tropfte und klebrige Finger verursachte. Es klingt seltsam, stimmt aber: Bei der Zubereitung von Sauerbraten wurde süßes Röbekrutt verwendet, das verlieh dem Fleisch eine ganz besondere Geschmacksnote. Zuckerrübensirup war mehr oder weniger ein kostengünstiger Honigersatz, es gibt ihn auch heute noch im Supermarkt, und der Kenner möchte nach wie vor nicht auf seine Schnedd mot Röbekrutt verzichten.
Rochus Ein in der Eifel früher häufiger Männername, heute kaum noch anzutreffen. Der heilige Rochus hat im 14. Jahrhundert die Menschen von der Pest geheilt, sein Namensfest ist der 16. August. Eine Bauernweisheit besagt: „Wenn Sankt Rochus trübe schaut, kommt die Raupe in das Kraut.“ Seltsamerweise steht der Name Rochus auch für eine ganz und gar unheilige Sache: Op dä han ech ene janz jewaltije Rochus, heißt es gelegentlich auch heute noch, wenn man seiner Wut über eine bestimmte Person Luft machen will. Die Kirche in Wahlen (Gemeinde Kall) ist dem heiligen Rochus geweiht, dort gibt es auch den St. Rochus - Schützenverein. Einer meiner früheren Bahnkollegen hieß Rochus, er war im Krieg Luftschutzwart in seinem Dorf und unterrichtete die Bewohner über das nächtliche Verdunkeln der Häuser durch Abschirmen der Lampen: „…und wenn man nix anderes hat, dann hängt man eben eine Rocksmau (Rockärmel) oder ein Butzenbein (Hosenbein) über die Lampe.“ Das trug ihm den Spitznamen „Rocksmau“ ein, wenn er den von uns hörte, wurde er wild.
Rommele (kurzes weiches o) Rommele ist eigentlich ein allgemeiner Ausdruck für Wurzeln. Bei uns war es das Wort für die gelben Futterrüben, ein wichtiges Nahrungsmittel fürs Vieh. Regional war auch der Ausdruck Knorre üblich, beispielsweise in Nettersheim. Die „weißen Schwestern“ der Rommele waren die Kolerawe, die auch dem Menschen mundeten und recht häufig auf den Mittagstisch kamen oder besonders von uns Kindern roh verzehrt wurden. Rommele schmeckten dagegen etwas bitter und ihr gelbes Fleisch sah nicht besonders einladend aus.
Ronn (weiches o) Ein auch heute noch gebräuchliches Mundartwort für „Runde.“ Da tagen beispielsweise beim sonntäglichen Frühschoppen im Landgasthof Cremer regelmäßig zwei Skat-Ronne, manchmal derart intensiv, daß sich die Thekengäste nur noch brüllenderweise zu verständigen vermögen und die Sonndaachs-Ronn (Sonntagsrunde) am ronne Desch (runden Tisch) sich die Ohren zuhält. Früher tagte am Tisch gleich neben dem Eingang die Buëre-Ronn (Bauernrunde) mit Bürgermeister Toni Wolff und den heimischen Landwirten, und wenn der Gastwirt joot drop (gut drauf) war, schmiß er en Thekeronn (eine Thekenrunde). Die vom Kippelberg in Richtung Kirche abzweigende Stichstraße heißt In der Ronn. Und wenn man eine Angelegenheit für besonders gut befand, stellte man zufrieden fest: Dat oß en ronn Saach (Das ist eine runde Sache).
Röüchdöppe (weiches ö) Das Eifeler Röüchdöppe ist ein „Räuchertopf“ und somit das hochdeutsche Rauchfass. Zu meiner Messdienerzeit im und nach dem Krieg, wurde bei Dechant Hermann Lux Weihrauch im Gottesdienst nur beim festlichen Hochamt – Ostern, Pfingsten, Weihnachten – eingesetzt. Bei dieser Huhmoss (Hochamt) kamen vier Messdiener zum Einsatz: Zwei „normale“ Altardiener und zusätzlich zwei Röüchfassschwenker. Ich selber kam mit dem Röüchdöppe nicht gut zurecht. Beim Beräuchern des Priesters musste das Gefäß nach jedem „Schwung“ dreimal hörbar gegen die Tragekette schlagen, und das schaffte ich nicht. Nach dem Krieg, als es keinen echten Wiehruch (Weihrauch) gab, behalfen wir uns mit Fichtenharz, das qualmte auch und duftete noch nicht mal so ganz uneben. Weil Zündhölzer rar waren, bastelten wir Hütebuben uns aus einer alten Konservendose mit durchlöchertem Boden ein Röüchdöppe. Dahinein kamen glühende Kohlen aus dem Küchenherd, ein paar zurecht gesägte Holzstücke drauf, fleißig geschwenkt, und auf ging´s zum Kühehüten, lebendiges Feuer im Handgepäck.
Röüches Zu Großmutters Zeiten war im Eifelhaus das „Röüches“ unentbehrlich, das Räucherhaus, in dem die diversen Würste und Schinken aus der Hausschlachtung zu köstlichen Gaumenfreuden heranreiften. Das an den Kamin angemauerte Räucherhäuschen stand meistens auf dem Spicher (Dachboden), durch einen eisernen Schieber konnte der Kamin gesperrt und der Herdrauch durchs Röüches geleitet werden. Während der Räucherperiode wurde ausschließlich mit ausgesuchtem Bööcheholz (Buchenholz) jestauch (gestocht, geheizt) und in Abständen durch Verbrennen von Waachhecke (Wacholderstauden) eine spezielle Rauchwürze herbeigeführt. In unserem heutigen Haus Muuße in Blankenheimerdorf war das Röüches aus Schwemmstejn („Schwemmsteine,“ Bimssteine) gemauert und stand auf einem der quer durchs Haus verlaufenden schweren Trägerbalken aus Eichenholz. Der Balken ragte zur Hälfte in die Rauchkammer hinein und war auf diesem Teilstück total verkohlt. Das stellten wir später beim Abbruch fest
Rouhbank Die wörtliche Übersetzung ist „Rauhbank,“ (heute Raubank). Das Wort ist auch heute noch gebräuchlich, allerdings findet man das damit bezeichnete Werkzeug nur noch beim Hobbyschreiner. Die Rouhbank war und ist der Langhobel, mit dem früher der Schreiner größere Holzflächen „planierte,“ nachdem mit dem Schrupphobel die gröbsten Unebenheiten zuvor beseitigt worden waren. Die Rouhbank war etwa 60 Zentimeter lang und dadurch speziell fürs „Planhobeln“ geeignet. Diesen Vorgang nannte man „Schlichten,“ für kleine Flächen gab es eigens den handlichen Schlichthobel. Den letzten Schliff erhielt die geschlichtete Platte durch den Putzhobel, mit dem sich hauchdünne Späne abheben ließen. Mit der Rouhbank ließen sich auch die Brettkanten „strecken,“ das heißt fürs Zusammenfügen (Leimen) rechtwinklig hobeln und „planieren.“ Oft gab es indessen hierfür die spezielle Foochbank oder auch Fööchbank (Fugbank / Fügebank), die 80 Zentimeter lang war und deren Handhabung eine gute Portion Geschick und Muskelkraft voraussetzte. Die Funktionen von Rauh- und Fugbank haben längst Dicken- und Abrichthobelmaschinen übernommen. Die Rouhbank aus Vaters Werkstatt existiert noch.
ruche Das Wort bedeutet „riechen“ und ist offensichtlich von „Geruch“ abgeleitet, der im rheinischen Dialekt zum Jeruch wird. Das Haustöchterchen hatte sich für den Kirmesball parat jemääch (zurecht gemacht, ausstaffiert) und die Mutter wunderte sich: „Du rüchs äwwer noch ens wie ene janze Parfümlade“. Klara hatte sich mit der Freundin überworfen und erklärte : „Ech kan dat Drout net mieh ruche, dat oß mir ze enjebildt“.
Ruësekranz Der „Rosenkranz“ ist die Gebetskette der katholischen Christen bei der Marienverehrung, aber auch das Rosenkranzgebet an sich wird kurz als „Der Rosenkranz“ bezeichnet. Früher gab es den „freudenreichen,“ den „schmerzhaften“ und den „glorreichen“ Rosenkranz, im Jahr 2002 hat Papst Johannes Paul II den „Lichtreichen“ zusätzlich eingeführt. Zu unserer Kinderzeit hieß es sonntags nachmittags: Maach dech en dr Ruësekranz (Rosenkranzandacht, auch Andacht allgemein). In Nonnenbach zogen früher in der Osterwoche die Dorfbewohner an den drei Kartagen abends in einer Prozession aan et Krütz (wörtlich: An das Kreuz), dabei wurde der Rosenkranz gebetet. Das Kreuz stand außerhalb der Ortschaft an der Forststraße nach Salchenbusch. Ursprung und Hintergrund dieser Prozessionen sind nicht bekannt. Ein Ruësekranz, möglichst vom Priester geweiht, war für jeden Erstkommunikanten ein unabdingbares Kommeniuënsjeschenk, (Kommunionsgeschenk), das sorgsam behandelt und aufbewahrt wurde: Nach dem Tod des Besitzers wurde es dem aufgebahrten Verstorbenen in die Hände gelegt. Die Mädchen trugen bei der Erstkommunion einen Kranz aus weißen Rosen im Haar, und die Haustür erhielt einen Rundumschmuck in Gestalt einer mit weißen Rosen besetzten dicken Girlande aus frischem Fichtengrün.
Rutte Rutte ist die Mehrzahl von „Rut“ und ist das Eifeler Wort für „Fensterscheiben.“ Speziell in Blankenheimerdorf ist „Rütte“ üblich. Die Verwandtschaft mit dem holländischen Ausdruck „Ruiten“ ist offensichtlich, den wir fälschlicherweise „Rüten“ aussprechen, richtig ist dagegen „Reuten“ (ui = in Holland „eu“ gesprochen). Echte Eifeler Rutte waren klein, Scheiben etwa von einem Viertelquadratmeter Größe waren schon ein Zeichen von Wohlstand. Die Rutte beeinträchtigten zwar den Lichteinfall, hatten aber einen wichtigen Vorteil: Wenn eine Scheibe zu Bruch ging, wenn etwa der Dilldopp (Kreisel) durch de Rutt jing, hielten sich die Reparaturkosten der kleinen Scheibe in erträglichen Grenzen. Als am Samstag, dem 22. Juli 1950, ein verheerendes Hagelunwetter über Blankenheimerdorf hereinbrach, gingen Hunderte von Rutte aller Größen zu Bruch. In einer wahren Völkerwanderung schleppten die Leute ausgehängte Fensterflügel mit zerdepperten Scheiben in Vaters Schreinerwerkstatt. Unser kleiner Glasvorrat war im Handumdrehen aufgebraucht. Vater telefonierte mit unserem Glaslieferanten in Bonn, am nächsten Morgen – Sonntag! – kam eine Eilzustellung: Drei Kisten Bauglas und zwei Zentnerkübel Leinölkitt.
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