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Oëwespief Die Oëwespief ist das Ofenrohr, das der Rauchableitung in den Kamin dient. Heute beinahe überflüssig, war die Pief früher unverzichtbar. Im Huus (Eifeler Küche) mündete das Pieferühr (wörtlich: Pfeifenrohr) vom Herd aus in den offenen Kamin, in der Stovv (Stube, Wohnzimmer) führte es durch die Decke, ragte im darüber liegenden Schlafgemach der Eltern meterhoch aus dem Boden und führte dann in den Kamin, – eine ganz passable Schlafzimmerheizung, die außerdem als „Haustelegraph“ diente: Wenn zu später Nachtstunde der „Zapfenstreich“ gekommen war, riß unvermittelt energisches Hämmern an der Oëwespief die genüssliche Zweisamkeit auf der Couch drunten in die Realität zurück und verkündete „Feierabend.“ Wenn dem nach dem dritten Klopfen noch nicht Folge geleistet war, erschien der Klopfgeist höchstpersönlich in der Stubentür. Und dann w a r Feierabend. Einmal im Jahr, meist zur Kirmes, wurde die Oëwespief frisch mit Pottloh (Ofenschwärze, Graphitfarbe) oder Silberbronze gepinselt. Bis das Zeug eingebrannt und trocken war, duftete es im ganzen Haus tagelang intensiv nach Farbe.
Oëß (hartes o) Der Oëß war früher ein wertvoller und leistungsstarker Gehilfe des Bauern bei der täglichen Arbeit, heute ist er weitgehend „aus der Mode gekommen,“ denn Ochsen als Gespanntiere sind längst durch die Technik ersetzt worden. Ein Prachtexemplar seiner Art lebt heute noch (2011) im Freilichtmuseum Kommern, ganz in unserer Nähe: Max, das Museumsmaskottchen. Noch nach dem Krieg besaß der Durchschnitts-Eifelbauer nur ein Köhjespann, der Bessergestellte leistete sich zwei Oësse, um wem es noch besser ging, in dessen Stall standen zwei oder mehr lebendige PS. Der Ochse als Arbeitstier war ein echtes Kraftpaket, es gab wenige Lasten, die ein ordentliches Oëssejespann nicht von der Stelle gebracht hätte. Ein beliebtes Kinderspiel unserer Jugend hieß Oëß am Berch (Ochs am Berg), und von einem ratlosen Mitmenschen sagt man noch heute: Dä steht do wie dr Oëß vür´m Berch. Die Redewendung stur wie en Oëß kommt nicht von ungefähr: Ein Ochsengespann beispielsweise gehorcht einzig seinem Herrn, Befehle aus „unberufenem“ Munde werden ganz einfach ignoriert.
Oëssepisel Das nicht alltägliche und etwas unfeine Wort existiert auch in der Standardsprache: „Ochsenfiesel“ oder „Ochsenpesel.“ Es wird nur noch selten gebraucht, wenn es aber tatsächlich einmal zur Anwendung kommt, spricht man vornehmerweise vom „Ochsenziemer,“ der unterdessen dasselbe bedeutet wie der Oëssepisel, nämlich ein hartes und doch elastisches knüppelartiges Schlagwerkzeug. Das Besondere daran: Wie der Name schon erahnen lässt, ist es aus den Genitalien eines Bullen hergestellt. Die Namensgebung geht auf das holländische Wort „Pees“ zurück, was „Sehne“ oder „Flechse“ bedeutet. Du kreß se mot dem Oëssepisel war die massive Androhung einer körperlichen Züchtigung. Wenn man bei einer Schlägerei mit Oëssepisele aufeinander losging, gab es mit Sicherheit blutige Köpfe, und später stellte man fachmännisch fest: Jung, do han se sech äwwer noch ens fies verpisematuckelt (anderes Wort: verdreische = verdroschen). Den Ochsenziemer gibt es heute noch in verschiedenen Größen als Kauspielzeug für Hunde.
oëwenop Oëwenop ist ein Umstandswort des Ortes und bedeutet „obenauf,“ in Dörfer Mundart wird es jedoch ausschließlich als Hinweis auf das Obergeschoß im Eifelhaus angewandt. „Das Schreiben liegt obenauf“ besagt, daß das gesuchte Schriftstück das Erste oben auf dem Stapel ist. Dat Schrieves litt oëwenop bedeutet aber, daß es im Obergeschoß des Hauses liegt. Um der Standardsprache gerecht zu werden, würden wir im Fall des Stapels sagen: „Dat Schrieves litt oëwen drop,“ also oben drauf. Maach dech oëwenop lautete der elterliche Befehl, mit dem wir Kinder zu Bett geschickt wurden, oft hieß es hier auch de Trapp erop (die Treppe hinauf). Zumindest sinngemäß ist „oëwenop“ so etwas wie ein als Hauptwort gebrauchtes Umstandswort – zeitgemäß: substantiviertes Adverb – mit der Bedeutung „Das Obenauf.“
Ogger (weiches o) Das Wort steht in keinem Zusammenhang mit dem menschenfressenden Märchenriesen Oger, ebenso wenig besteht eine Verbindung zur Ockerfarbe. Ogger ist vielmehr die Eifeler Bezeichnung für das Euter der Säugetiere, insbesondere für die „Milchfabrik“ der Kuh. Obwohl ein ganz und gar weibliches Attribut, ist dieses nützliche Körperorgan schon in der Standardsprache geschlechtslos: Das Euter. In der Eifeler Mundart wird es sogar männlich: Der Ogger. Der Ogger war und ist ein wichtiges Kriterium für die Bewertung einer Milchkuh, allein der optische Eindruck verriet dem geschickten Viehhändler oder Bauersmann bereits alles über die Milchleistung des Handelsobjekts. Die Mehrzahl von Ogger ist Oggere oder auch Ögger, wenn sich beim jungen Rind das Euter bildet, sagt man „Dat Dier oggert.“
Ohme „Ohme“ ist eigentlich gleichbedeutend mit Ohm, beides heißt „Onkel“ und ist offensichtlich vom früher gebräuchlichen Oheim abgeleitet. Für die Kinder war jeder ältere Mann im Dorf ein „Onkel“ und wurde mit „Ohme“ angesprochen, ähnlich wie heute noch der „Onkel Doktor“. Der Nachbar beispielsweise war nicht der Herr Geusen, sondern „Schmette (Hausname) Ohme“, und weil der Hütebub seinerzeit keine Uhr besaß, fragte er den vorbeikommenden Feldhüter : „Ohme, wievill Uhr os et“. „Ohme“ war generell die Anrede für den „Fremden“, der leibliche Onkel wurde meistens „Ohm“ genannt, aber mit „Onkel“ angesprochen.
Oker Mit „Oker“ bezeichnete man die Ockerfarbe, die es in mehreren Schattierungen zwischen Gelb und Braun als Pulverfarbe zu kaufen gab. In vielen dörflichen Allerweltsläden gab es ein Holzregal, dessen diverse Schubkästen unter anderem auch Trocken- oder Pulverfarben der gängigsten Sorten enthielten. Verkauft wurde nach Gewicht, beispielsweise e Viëdel helle Oker (ein Viertelpfund, 125 Gramm). Ocker ist eine „Erdfarbe,“ die früher sehr häufig als Farbzusatz in die Kalktünche für den Hausanstrich kam. Vater vermengte Oker mit Lengollich (Leinöl) und „imprägnierte“ damit seine neuen Schreinereierzeugnisse. Im Mittelhochdeutschen war, neben Ocker, auch die Bezeichnung „Ogger“ gebräuchlich, was unterdessen nicht mit unserem mundartlichen Ogger (Euter) vergleichbar ist. Die niederländische Sprache kennt wie unsere Mundart den Ausdruck „Oker.“
Ollich Ein veraltetes Wort für „Öl,“ wobei der holländische Ausdruck „Olie“ offensichtlich Pate gestanden hat. Heute ist allgemein Ööl (hartes ö wie bei „Köln“) gebräuchlich. Ollich stand für Schmier- und Brennöl ebenso wie für Speiseöl. Wehe uns Kindern, wenn wir mit einem Ollichsflecke aan dr Botz (Ölfleck an der Hose) nach Hause kamen! Unsere Jött besaß noch eins jener gemütlichen alten Ollichslämpcher (Öllichter) in Schiffchenform aus Porzellan, die heute in moderner Gestalt wieder „in“ sind. Als wir im Krieg keinen elektrischen Strom mehr hatten, kam die gute alte Stejnollichslüech (Petroleumlampe) wieder zur Geltung. Die alte Ölmühle in Ahrhütte war weit und breit als Ollichsmüll ein Begriff, den Ölmüller nannte man Ollichschläjer. Aus dem Beruf ergab sich oft auch der Familienname, einer meiner früheren Bahnkollegen hieß Heinrich Olligschläger. Und das Ölkännchen zum Schmieren von Landmaschinen und Wagenrädern war die Ollichsmöüt.
Öllech (weiches ö) „En Mohlzitt oohne Öllech oß wie en Müll oohne Wasser,“ (Eine Mahlzeit ohne Zwiebeln ist wie eine Mühle ohne Wasser) wussten früher die Leute die Wertigkeit unserer „Würzpflanze Nummer eins“ zu beschreiben. Im Hausgarten gab es immer „e Feldche Öllech“ als Bezugsquelle der unentbehrlichen Öllechspiefe (wörtlich: Zwiebelpfeifen, = Röhrenblätter), mit denen unsere Jött bei der Zubereitung der Mahlzeiten äußerst verschwenderisch umging, – zu meinem Verdruß, denn Öllechspiefe mochte und mag ich auch heute noch nicht. Das Mundartwort Öllech ist vermutlich auf die lateinische Bezeichnung „allium“ zurückzuführen. Daheim gab es oft Quellmänn mot Öllechszauß (Pellkartoffeln mit Zwiebelsoße) als Abendessen, sehr beliebt bei den Erwachsenen. Häufig angewandt war die Frage: wievill Öllech oß et (wie viel Uhr, wie spät ist es). Das bezog sich auf die zur Zeit unserer Eltern moderne zwiebelartige Gehäuseform der Taschenuhren, die 400 Jahre zuvor Peter Henlein in Nürnberg erfand. Ohm Mattes besaß ein solches Teischenöllech (Taschenzwiebel). Die mundartliche Eifeler Zwiebel war geschlechtslos: Das Öllech.
Ombere (kurzes weiches o) Eifeler Wort für die Himbeeren. Wildwachsende Himbeeren siedelten sich häufig auf sonnigen Kahlschlägen an, wo sie beim Aufforsten und späteren Freischneiden der Pflanzen recht hinderlich waren. Die relativ winzigen Wildfrüchte waren zwar mühsam zu sammeln, dafür aber an Wohlgeschmack und Aroma nicht zu übertreffen. Omberesaff (Saft) aus selbstgepflückten Waldhimbeeren war eine Köstlichkeit. Wir Pänz zogen sommertags in den Wald und schlugen uns den Bauch voll duftender Ombere. Von der Hand in den Mund, direkt vom Strauch, ungewaschen und unsortiert, - heute wäre davon abzuraten.
onjenüüßelich Onjenüüßelich bedeutet „habgierig, raffsüchtig, ungenügsam.“ Ein onjenüüßelicher Mensch ist nicht leicht zufrieden zu stellen, er will immer noch mehr, er kret dr Hals net voll (wörtlich: Er kriegt den Hals nicht voll). Wenn besonders leckeres Essen auf den Tisch kam, packten wir Kinder unseren Teller huppevoll (gehäuft voll) und Mam schimpfte: Bos net esu onjenüüßelich (Sei nicht so habgierig). Das war meistens berechtigt, denn nicht selten hatten wir de Oore jruëßer wie dr Buch (die Augen größer als den Bauch) und auf unserem Teller blieben Uëze (Reste) zurück. Wenn wir dann zu viel und zu hastig gegessen hatten und über Buchpeng (Bauchweh) klagten, hieß es unnachsichtig: Dat kött van dr Onjenüüßelichkejt. Auch Tiere können manchmal onjenüüßelich sein und kämpfen an der Futterstelle um die besten Happen.
Oovend ( hartes o) Der Eifeler Oovend war und ist der hochdeutsche „Abend“. Hier zeigt sich wieder einmal die „Verwandtschaft“ der Eifeler Mundart mit der holländischen Sprache, unsere Nachbarn nämlich sagen „Avond“. Ich hatte ein paar Pflaumen stibitzt, wurde von Jött erwischt und ging stiften. „Komm du mir denoovend hejm“, wurde mir für „heute Abend“ Bedrohliches in Aussicht gestellt. „Oovendschööfjer schloofe jähr“ (Abendschäfchen schlafen gern) lautete eine alte Bauernregel. Damit war gesagt, daß viele kleine Wölkchen am Abendhimmel einen sonnigen nächsten Tag ankündigen. Den Gruß „Guten Abend“ kürzte man früher ab: Noovend, was unterdessen auch in unserer Standardsprache üblich ist: „Nabend“.
op Jang Regional sagt man auch op Jank, beides heißt übersetzt „auf Gang“ und hat verschiedene Anwendungsbereiche. Von einem Morgenmuffel wird beispielsweise behauptet, dass er spät op Jang kommt. Mit zunehmendem Alter bruch mr ad jät mieh Zitt für op Jang ze konn (braucht man mehr Zeit um munter zu werden) und nach einer feuchtfröhlichen Nacht klagt morgens der Zecher: Ech wejß jarnet richtich op Jang ze konn (ich weiß gar nicht auf Trab zu kommen). Wenn der Nachbar nach längerem Lejje (Liegen = Krankheit) genesen war, wurde er bei der ersten Begegnung gefragt: Na Bäetes, boßte wier op Jang ? (Na Albert, bist du wieder auf dem Damm). Und damit die Zeitungsleser rechtzeitig ihre Morgenlektüre bekamen, war Hahnebrochs Schäng, der Dörfer Zeitungsbote, frühmorgens em halever fönnef ad op Jang (um halb fünf schon unterwegs).
opraafe Opraafe heißt wörtlich „aufraffen,“ wird aber in der Mundart allgemein für „aufheben“ in der Bedeutung von „etwas von der Erde aufheben, aufsammeln, auflesen“ gebraucht. Aufheben im Sinne von „hochheben“ heißt bei uns huhhewwe, und etwas zurücklegen (aufheben) bezeichnen wir als ophewwe oder verwahre. Ein typisches Beispiel für das Eifeler raafe findet sich bei der Kartoffelernte: Jrompere raafe. Der Ausdruck steht für das ganz normale Aufsammeln der Kartoffeln, nicht etwa für gieriges „Raffen.“ Früher war Ähre raafe ein Begriff: Auf den abgeernteten Korn- oder Weizenfeldern mussten wir Kinder die liegen gebliebenen Ähren aufsammeln. Das war auch auf fremden Äckern erlaubt, konnte aber durch Wehrrieser untersagt werden. Wenn ein Dorfbursche mit einer fremden Begleiterin in den Heimatort kam, hieß es hinter der Hand: Wo hätte sech die dann opjeraaf. Und von einem Kranken, der wieder genesen war, wurde gesagt: Dä hätt sech wier opjeraaf.
opstands (kurzes weiches o) „Et sen noch jät Riefkooche van demettech (heute Mittag) opstands, die kannste denoovend (heute Abend) kalt eiße“, stellte Mam (Mutter) nach dem Mittagessen in Aussicht. Opstands bedeutet „übrig“ oder auch „zusätzlich, obendrein“. Köbes kam vom Hillesheimer Viehmarkt zurück und verkündete zufrieden: „Ech han für de Blöm (Tiername) noch fuffzich Mark opstands jemääch“, er hatte also für die Kuh 50 Mark mehr erhandelt als zu erwarten war. Die von Mam angekündigten kalten Reibekuchen waren übrigens gar nicht mal unbeliebt, Vater verzehrte sie gerne als Brotbelag.
Owwerliëch Noch bis in die 1960er Jahre besaß das gängige Eifeler Fenster ein Oberlicht, sozusagen einen dritten Flügel quer über den beiden senkrechten Hälften. In Vaters Schreinerwerkstatt wurden noch „Owwerliëch-Fenstere“ hergestellt. Die einzelnen Flügel waren nochmals in kleine Abteilungen unterteilt, die Rütte oder Rutte genannt wurden. Das beeinträchtigte zwar den Lichteinlaß, war aber vorteilhaft für den Fall, daß eine Scheibe zu Bruch ging, wenn etwa der Dilldopp (Kreisel) ins Fenster sauste: Der Schaden war gering, eine durchgehende Scheibe hätte viel mehr Geld gekostet. Das Owwerliëch diente vor allem der Belüftung, ich besitze heute noch ein paar Oberlicht-Beschläge, die ein zweistufiges Kippen ermöglichten. Den modernen Dreh-Kipp-Beschlag gab es damals noch nicht. Oberlichter findet man heute noch über Haustüren oder als Lichtkuppeln in großen Hallen.
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